Eine neue Studie aus Deutschland (pdf, 2.3 MB) beschäftigt sich mit dem „Cyberlife“ von Kindern und Jugendlichen, und vor allem auch der Verschmelzung von Offline- und Online-Erlebnissen. Im Rahmen einer groß angelegten Befragung beantworteten 10.000 Eltern, Lehrer/innen und Schüler/innen Fragen zu ihren Netz-Erfahrungen und belegten vor allem einen Trend mit Zahlen: Cyber-Mobbing ist nicht nur Teil des Sprachgebrauchs, sondern auch des jugendlichen Alltags geworden.
Mobbing: Tatort Internet
Die Studienergebnisse spiegeln auch die Erfahrungen der Saferinternet.at-Trainer/innen wider, die regelmäßig seit 2005 u.a. Elternabende zum Thema „Jugendschutz im Internet“ durchführen. Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden über 80 solcher Informationsveranstaltungen für Eltern durchgeführt.
Mobbing ist kein reines Online-Phänomen, hat aber durch digitale Medien zweifelsohne eine neue Dimension hinzubekommen: beleidigende Kommentare und Hass-Gruppen in Sozialen Netzwerken, gemeine Fake-Profile, beschämende Videos auf YouTube, Beschimpfungen über Instant Messenger – um nur einige Beispiele zu nennen. Das Phänomen „Mobbing im Internet“ ist längst nichts Neues mehr. So zeigte auch die „Cyberlife“-Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing, dass 90% der Eltern mit dem Begriff „Cyber-Mobbing“ vertraut sind. Aber auch „Cyber-Stalking“ und „Cyber-Grooming“ sind nicht mehr unbekannt.
Modethema Cyber-Mobbing?
Regelmäßig wird in den Medien über das Thema Cyber-Mobbing berichtet. Das erhöht einerseits die Aufmerksamkeit und Sensibilität für diese Gefahr und trägt zur Früherkennung bei. Allerdings ist hier auch Vorsicht geboten: Nicht jeder (kleine) Konflikt zwischen Jugendlichen fällt gleich in die Kategorie Cyber-Mobbing!
95% aller befragten Eltern sind sich jedoch dessen bewusst, dass Cyber-Mobbing eine aktive Gefahr ist. Die Eltern schätzen selbst, dass 38% ihrer Kinder als Opfer und 34% als Täter/innen betroffen sind. 7% aller Eltern berichten auch von konkreten und persönlichen Erfahrungen mit diesem Thema.
Die Jugendlichen selbst geben an, dass 17% von ihnen schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing waren und 19% bekannten sich dazu, bereits einmal Täter/in gewesen zu sein. Dabei enthüllt die Studie auch eine auf den ersten Blick verwirrende Tatsache, nämlich dass sich Jugendliche mit Cyber-Mobbing gegen selbiges zur Wehr setzen: „Mehr als ein Drittel der TäterInnen waren selbst schon einmal Opfer von Cybermobbing.“ (Originalzitat aus der Studie)
Neue „Spielarten“ von Cyber-Mobbing
Mit der weiten Verbreitung von Cyber-Mobbing wandeln sich auch die Methoden und Spielarten. Speziell die sexuelle Belästigung und die Veröffentlichung von Nacktbildern (auch bekannt als „Sexting“ ) nehmen zu. Jüngere Kinder agieren eher mit Beleidigungen und Beschimpfungen allgemeiner Art, bei älteren Jugendlichen sind es eher sexuell konnotierte Themen. Immer wieder werden hierbei die Handlungen der Betroffenen selbst gegen diese benutzt, wie im Falle eines 17-jährigen Mädchens: Sie erstellte sexuell aufreizende Videos von sich und machte diese ihren Facebook-Freund/innen zugänglich. Eine Freundin benutzte die Videos allerdings, um das Mädchen bloßzustellen. Sie richtete ein kompromittierendes Fake-Profil ein, das innerhalb kürzester Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad erreichte.
Cyber-Mobbing hat speziell im Bereich der Verbreitung von Nacktfotos eine „neue Drehscheibe“ gefunden: der Kommunikationsdienst WhatsApp hat Facebook hier inzwischen den Rang abgelaufen. Problematisch an dieser App ist, dass Nachrichten und Bilder sehr schnell an große Personengruppen verschickt werden können. Der Dienst wird häufig von Jugendlichen zur raschen und einfachen Streuung von Bildern mit sexuellem Inhalt verwendet. Dass sexuell konnotierte Bilder aber auch als kinderpornografisches Material gewertet werden können, ist dabei den wenigsten (Eltern wie Jugendlichen) bekannt (siehe auch: Was ist Kinderpornografie? ).
Prävention und Lösungsansätze
Zweifelsohne ist die steigende (mediale) Aufmerksamkeit zu Themen wie Cyber-Mobbing, Sexting, Grooming etc. eine positive Entwicklung, die dazu beiträgt, dass sich vor allem Lehrende und Eltern mit diesen Gefahren auseinandersetzen. Bei der Problemerkennung ist aber auch wichtig, nicht zu übertreiben und jeden Konflikt einzeln zu betrachten: nicht jede Streitsituation ist gleich Cyber-Mobbing! Daher ist es notwendig, dass Kinder und Jugendliche gute Strategien zur Konfliktlösung entwickeln, welche auch ihr Kommunikationsverhalten im Internet miteinschließen. Wie die „Cyberlife“-Studie belegt, ist Präventionsarbeit zu Hause und in der Schule besonders wichtig und kann verhindern, dass Jugendliche Opfer oder auch Täter/innen von Cyber-Mobbing werden.
Leitfragen für die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema können sein:
- Wie bewerten wir Schimpfwörter online? Welche Bedeutung haben die gleichen Schimpfwörter von Angesicht zu Angesicht?
- Wie reagiere ich, wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühle? Sind meine Reaktionen sinnvoll? Welche Alternativen habe ich? Wie kann ich in Konflikten generell reagieren?
- Wie kann ich mit Wut und Ohnmacht umgehen? Welche Alternativen habe ich, um nicht selbst die Täter/innen-Rolle zu übernehmen?
- Wie kann ich mich in Szene setzen, ohne Nacktaufnahmen von mir zu verwenden? Mit welchen meiner Eigenschaften kann ich punkten? Wie kann ich diese online herausstreichen?
Weiterführende Links:
- Bündnis gegen Cybermobbing: Studie „Cyberlife – Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr“ (pdf, 2.3 MB), Mai 2013
- Saferinternet.at: Weitere Tipps & Infos zu Cyber-Mobbing
- Saferinternet.at: Was ist „Sexting“?
- Saferinternet.at: Was ist „Grooming“?
- Saferinternet.at: WhatsApp erlauben – ja oder nein?
- Saferinternet.at-Veranstaltungsservice: Veranstaltung buchen