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Mein Kind streamt live auf YouNow – Panik oder Gelassenheit?

Phänomen YouNow: Das Live-Streamen aus dem Kinder- und Klassenzimmer liegt bei Jugendlichen voll im Trend – Jugendschützer/innen schlagen Alarm. Wir erklären, worin die Faszination liegt und liefern Tipps für besorgte Eltern.

Die Broadcasting-Plattform „YouNow“ steht seit einigen Monaten bei Jugendlichen hoch im Kurs. Ganz nach dem Motto „Express Yourself" streamen junge Nutzer/innen live aus ihrem Kinder- oder Klassenzimmer. Nun schlagen Daten- und Jugendschützer Alarm; das Portal ist Thema in allen Medien. Wir werfen einen Blick hinter das Phänomen YouNow und erklären, was für Jugendliche den Reiz am Live-Streamen ausmacht und wann die Nutzung problematisch werden kann.


YouNow – was ist das?

YouNow ist ein Streaming-Portal und ermöglicht es Nutzer/innen, Bild und Ton in Echtzeit ins Internet zu übertragen. Zuschauer können dabei dem Broadcaster/der Broadcasterin live in einem Chatfenster Fragen stellen oder den Stream kommentieren. Ursprünglich wandte sich YouNow an Musiker/innen und andere Künstler/innen, die bereits auf YouTube aktiv waren und auch in Echtzeit mit ihrem Publikum kommunizieren wollten. Seit letztem Jahr steht YouNow nun allen User/innen offen. Seitdem haben vor allem Jugendliche den Dienst für sich entdeckt – vor Kurzem ist der Hype nun auch in Österreich angekommen.

Der Weg zum eigenen YouNow-Stream ist denkbar einfach: Benötigt wird lediglich ein PC mit Internetzugang und Webcam bzw. ein Smartphone mit der YouNow-App. Die Anmeldung funktioniert über einen bestehenden Account bei Facebook, Twitter oder Google+. Die Krux: Wer nur zuschauen möchte, kann sich auch ohne eigenes Konto einfach einklinken – zum Kommentieren und „Liken“ muss man allerdings eingeloggt sein.

 

(c) YouNow/Saferinternet.at

Faszination Live-Stream

Wer sich ein paar Minuten lang durch die Videos auf YouNow klickt merkt schnell: gestreamt wird überall und jederzeit – egal ob direkt aus dem Klassenzimmer, der Schultoilette oder dem Kleiderkasten zu Hause. Übertragungsorte finden sich überall dort, wo Jugendliche unterwegs sind und einigermaßen ungestört kommunizieren können. YouNow kombiniert das Live-Streamen zusätzlich mit Funktionen von anderen populären Plattformen, wie z.B. das Frage-Antwort-Portal Ask.fm oder das Foto-Netzwerk Instagram.


Aufmerksamkeit für das Selbstbewusstsein

Das Streaming-Portal ist ein einfaches Mittel, um sich anderen mitzuteilen, sich selbst in Szene zu setzen und die eigene Wirkung auf andere zu testen. Selbstdarstellung im Internet steht bei Jugendlichen generell hoch im Kurs. YouNow bietet eine gute Plattform zur Selbstpräsentation: der eigene Live-Stream kann mittels #Hashtag einer bestimmten Kategorie zugeordnet und so leicht gefunden werden. Für viele Broadcaster/innen geht es vor allem darum, im Ranking einer bestimmten Kategorie möglichst weit nach vorne zu rücken. Diese Reihung ergibt sich z.B. aus der Anzahl der Zuschauer oder der erhaltenen „Likes“. Ein weiterer Anreiz: für jede Interaktion (z.B. streamen, zusehen, chatten etc.) erhalten Nutzer/innen sogenannte „Coins“, die innerhalb des YouNow-Universums als Zahlungsmittel für z.B. Icons dienen.

Großteil der Nutzer/innen ist sehr jung

Was bei YouNow schnell ins Auge fällt: Die Mehrheit der streamenden Nutzer/innen ist sehr jung, viele Kinder sind augenscheinlich erst etwa zehn Jahre alt oder jünger. Offiziell darf das Portal – wie übrigens auch Facebook – ab einem Alter von 13 Jahren genutzt werden. Kontrolliert werden kann das freilich nicht. Laut Nutzungsbedingungen benötigen unter 18-Jährige auch die Erlaubnis ihrer Eltern, um das Portal nutzen zu dürfen.


Schulmädchen erzählen aus ihrem Leben – und die Welt sieht zu

Jugendschützer/innen äußern in Bezug auf YouNow zahlreiche Bedenken.  Der am häufigsten genannte Aspekt: Jugendliche werden auf YouNow dazu verführt, viele private Details über ihr Leben preiszugeben.  Viele Broadcaster/innen plaudern im Live-Stream bereitwillig los und erzählen ihrem anonymen Publikum mitunter auch, wo sie wohnen, zur Schule gehen oder an welcher Bushaltestelle sie um welche Uhrzeit anzutreffen sind. Damit machen sie sich – so wird gefolgert – für Zuschauer/innen mit entsprechenden Intentionen zu potentiellen Opfern. Ebenfalls problematisch: Beleidigungen wie "Du bist hässlich" sind im YouNow-Chat an der Tagesordnung. Oft werden die Jugendlichen auch mit belästigenden Aufforderungen wie „Zeig mal deinen BH“ konfrontiert – die meisten Broadcaster/innen wissen diese Nachrichten aber zu ignorieren.

Oft sind sich Jugendliche durchaus bewusst, dass private Daten eigentlich nichts im Netz verloren haben. In YouNow werden solche Bedenken aber der Popularität zuliebe rasch über Bord geworfen. Zuschauer/innen üben oft auch Druck aus und drohen zum Beispiel, den Stream zu verlassen, wenn die sendende Person gewisse Fragen nicht beantwortet. 


Wenn das eigene Kind streamt – Tipps für Eltern

Entdecken Eltern, dass das eigene Kind auf YouNow streamt, reagieren die meisten mit großer Sorge. Die Befürchtungen: der eigene Nachwuchs macht sich angreifbar und führt vielleicht sogar die ganze Familie in der Öffentlichkeit vor. Diese Ängste sind verständlich, und dennoch hilft vorschnelle Panik nicht weiter

  • Verbote bringen wenig. Sind Jugendliche bereits von YouNow fasziniert, nützt es wenig, die Plattform einfach zu verbieten. Wahrscheinlich wird Ihr Kind Mittel und Wege finden, trotz des Verbots auf YouNow zu streamen. Außerdem: Verbote bewirken meistens genau das Gegenteil und machen das Verbotene erst attraktiv. Wichtig zu wissen: Laut Nutzungsbedingungen der Plattform beträgt das Mindestalter 13 Jahre - allerdings liegt die Vermutung nahe, dass auch schon jüngere Kinder in YouNow aktiv sind.

  • Unangenehme Nutzer/innen melden oder blockieren. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, dass bei YouNow nicht immer nur die „süßen“ Jungs oder Mädels aus der Parallelklasse zuschauen. Manchmal sind es auch Männer mittleren Alters, die sich hinter einem anonymen Nickname verstecken und den jungen Broadcaster/innen mit ganz eigenen Intentionen zuschauen. Deutlich wird dies oft in den begleitenden Chats: Auf Aufforderungen, etwa den Pulli auszuziehen oder Ähnliches, sollten die jugendlichen Nutzer/innen keinesfalls eingehen. Unangenehme Nutzer/innen können auch bei YouNow gemeldet bzw. blockiert werden. Dazu klickt man im Profil der jeweiligen User/innen auf die rote Flagge. Danach kann ausgewählt werden, ob man die Person bei den Plattformbetreiber/innen melden oder gänzlich blockieren möchte.

  • Spielregeln festlegen. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind fixe Regeln für die Nutzung von YouNow, z.B. dass sich Ihr Nachwuchs nicht vor der Kamera entblößen, keine persönlichen Daten (z.B. Wohnadresse, Telefonnummer, Schule) preisgeben und keine Aufnahmen von der Familienwohnung zeigen darf. Ebenfalls wichtig: Andere Personen sollten nicht ungefragt in YouNow gestreamt werden, sondern vorher stets um Erlaubnis gefragt werden. Es empfiehlt sich auch, in YouNow nicht unter dem eigenen Klarnamen aktiv zu sein, sondern einen Nickname zu verwenden. Wurden in der Familie bereits Verhaltensregeln für andere Soziale Netzwerke vereinbart, sollten diese auch für YouNow gelten.

  • Interesse zeigen. Lassen Sie sich von Ihrem Kind erklären, warum es YouNow so toll findet: Warum ist es wichtig, dort regelmäßig online zu sein? Welchen Idolen auf YouTube oder YouNow folgt Ihr Sprössling? Was macht diese Broadcaster/innen so interessant? Versuchen Sie, Ihr Kind zu verstehen und verurteilen Sie es nicht für seine Begeisterung und Vorlieben.

  • Auf rechtliche Probleme hinweisen. Das Streamen auf YouNow kann auch rechtliche Konsequenzen haben:  Werden z.B. im Schulhof Mitschüler/innen gefilmt, die davon nichts wissen, kann dies das „Recht am eigenen Bild“ der anderen verletzen. Werden andere Personen in den Live-Streams beleidigt oder verunglimpft, könnte dies auch einen rechtlichen Tatbestand erfüllen und somit strafbar sein (z.B. Üble Nachrede, Ehrenbeleidigung, Verleumdung). Ein weiterer Aspekt sind Verletzungen des Urheberrechts:  läuft im Hintergrund des Streams Musik, an der der Broadcaster/die Broadcasterin keine entsprechenden Rechte hat, stellt dies eine Urheberrechtsverletzung dar. Das gilt übrigens auch für Inhalte, die im Zuge einer Unterrichtsstunde gestreamt werden.

  • Alternativen aufzeigen. Natürlich ist das Live-Streamen der interessanteste Aspekt an YouNow. Letztendlich dienen die Aktivitäten in YouNow aber der Selbstdarstellung der Jugendlichen. Klären Sie mit Ihrem Kind, ob das Broadcasting nicht auch über YouTube stattfinden kann. Hier können Videos mit Bedacht aufgenommen und Inhalte im Vorhinein überlegt werden.

Unser Fazit: Das Phänomen YouNow erreicht gerade einen Höhenpunkt – ebenso wie der mediale Hype um die Streaming-Plattform. Es ist jedoch eine nur noch Frage der Zeit, bis die endlosen Übertragungen aus dem Kinderzimmer auch für die Jugendlichen selbst vor allem eines werden: langweilig.


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