„Die traditionelle Geschlechterordnung heraufbeschwören“
Durchschnittsmenschen und hauptsächlich Männer! So beantwortet Erich Lehner die Frage, wer denn diese Online-SexistInnen eigentlich sind. Um deren Motive und um Möglichkeiten Offline- und Online-Sexismus abzubauen, ging es in der letzten Veranstaltung der Gesprächsreihe „Online-Sexismus – was tun?“, die wir mit dem Frauenservice der Stadt Wien organisierten.
Louise Horvath von Saferinternet.at und Claudia Throm vom Frauenservice der Stadt Wien moderierten die Veranstaltung. Wir fassen das Gespräch zusammen und erklären wichtige Konzepte von Sexismus.
In seiner Forschung, erzählt Lehner, zeigt sich wiederholt deutlich, dass Sexismus keineswegs ein Problem einzelner Personen ist. Vielmehr berufen sich Sexisten, seltener auch Sexistinnen, auf ein System. In diesem System werden traditionelle und verloren geglaubte Geschlechterordnungen durch sexistische Äußerungen wieder heraufbeschwört. Frauen werden dabei abgewertet. Männer weiterhin bevorzugt. Sexismus versucht auf der symbolischen Ebene ein traditionelles, hierarchisches Geschlechterverhältnis aufrecht zu erhalten.
Neo-Sexismus in Offline- und Online-Räumen
Die Formen dieser Frauenabwertung sind vielfältig, doch Unterschiede zwischen Online- und Offline-Räumen sieht Lehner kaum. Das Problem seien nicht neue Formen der Kommunikation, sondern neue Sexismen.
Das Patriarchat – also die Gesellschaftsordnung, die männliche Dominanz, ausbeuterische und unterdrückende Beziehungen beschreibt – ist anpassungsfähig und auch Sexismus entwickelt sich weiter. Angenommene Geschlechterdifferenzen sind schon längst widerlegt und Geschlechterrollen brechen langsam auf. Damit ist ein traditioneller Sexismus, der die Geschlechterdifferenz betont, die Minderwertigkeit der Frau und traditionelle Geschlechterrollen als gegeben ansieht, nicht mehr haltbar. Darauf baut der Neo-Sexismus auf: Wenn es keine Unterschiede mehr gibt, gibt es auch keine Diskriminierung. Er leugnet also jede fortgesetzte Diskriminierung von Frauen, widersetzt sich vermeintlicher Privilegierung von Frauen und lehnt jede Forderung nach Gleichbehandlung ab.
Immer noch zeigt sich dabei ein ambivalenter Sexismus, also das Zusammenspiel von wohlmeinendem (benevolent) und feindseligem (hostil) Sexismus.
Hostiler Sexismus: Aus der Angst ihre scheinbar höhere Position zu verlieren und dem Empfinden durch Frauen bedroht zu werden, bewerten hostile Sexisten Frauen und Mädchen negativ und feindselig. Mit sexistischen Äußerungen versuchen sie zu zeigen, dass Männer immer noch oben in der Gesellschaftsordnung sind. Durch die offene Feindseligkeit gegenüber Frauen und Mädchen ist diese Art von Sexismus leichter zu erkennen und damit auch sichtbarer als der benevolente Sexismus.
Benevolenter Sexismus: Er wird auch wohlmeinender Sexismus genannt, weil benevolente Sexisten angeben, es "ja nur gut zu meinen": Zum Beispiel, indem sie Frauen unterstützen und beschützen - oftmals ungefragt und ungewünscht. Tatsächlich werden aber auch beim benevolenten Sexismus Stereotype wiedergegeben und Machtverhältnisse kommuniziert.
Die genannten Machtverhältnisse beinhalten wiederum eine hegemoniale Männlichkeit oder auch eine toxische Maskulinität. Diese Konzepte zu kennen ist wichtig, um Sexismus benennen zu können, aber auch für die Männerarbeit und Männerpolitik. Denn nur selten wird die Täter-Seite bei Sexismus thematisiert. Dass Männer aber über diese Machtverhältnisse und ihre eigenen Privilegien nachdenken, ist laut Lehner zentral, um Sexismus langfristig abzubauen.
Hegemoniale Männlichkeit: Es gibt viele Arten von Männlichkeit, allerdings gibt es jene, die in einer Gesellschaft mehr wert sind. Bei uns in Europa ist das eine dominante Männlichkeit: Ein Mann muss etwas leisten, stark sein und seine Dominanz über andere Personen ausüben – sowohl über Männer, als auch über Frauen.
Toxische Maskulinität: Die toxische Maskulinität überhöht dieses Bild von Mann. Die genannten Elemente werden also nochmal überspitzt. Toxische Maskulinität zeigt sich vor allem in Bereichen, in denen es viel Konkurrenz gibt. Zum Beispiel im Gaming-Bereich, wie wir bei der dritten Veranstaltung der Gesprächsreihe zum Thema „Sexismus im Online-Gaming“ schon erfahren haben.
Was tun gegen Sexismus im Online- und Offline-Raum?
Die Diskussion dreht sich auch um die Frage, was online gegen Online-Sexismus getan werden kann:
- Zivilcourage zeigen:
Es geht offline wie online darum, Sexismus klar zu benennen, auch wenn es um wohlgemeinten Sexismus geht. Beziehen Außenstehende klar Stellung, können sich SexistInnen nicht auf fehlendes Wissen berufen und Mitlesende werden sensibilisiert. Es sollte nicht den Betroffenen allein überlassen werden, sich zu wehren. - Sensibilisierung in Männergruppen:
Insbesondere in männlich dominierten Gruppen, ob im Gaming-Bereich, Online-Foren oder WhatsApp zeigt es positive Wirkung, wenn dort getätigte sexistische Aussagen von Männern kritisiert werden. Es irritiert und bricht mit der Selbstverständlichkeit von Sexismus. - Männerarbeit in der digitalen Welt:
Privilegien von Männern zu benennen und abzubauen ist zentral, um auch Sexismus abzubauen. Dafür benötigt es Männerarbeit für die es auch digitale Formate geben kann, die zum Beispiel männliche Jugendliche abholen.
Soll Online-Sexismus bekämpft werden, müssen sich auch alteingesessene Strukturen insgesamt ändern. Mehr Engagement und das Stellungbeziehen von Unternehmen und auf der politischen Ebene sind zentral. In der Erziehung gilt es von Anfang an einen wertschätzenden und partnerschaftlichen Umgang miteinander zu lernen. Unterschiede wahrzunehmen, ohne sie abzuwerten. „Es geht um Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation“, fasst Lehner zusammen. Diese positiv zu gestalten, schaffen wir nur gesamtgesellschaftlich.