Neue Studie: Cyber-Mobbing hat in der Pandemie zugenommen
Lehrende Eltern Jugendliche Jugendarbeit CybermobbingDieser Artikel ist älter als ein Jahr.
17 Prozent waren bereits Opfer
Negative Online-Erfahrungen haben bereits viele Jugendliche gemacht: So hat fast die Hälfte (48 %) schon Beschimpfungen und Beleidigungen am eigenen Leib erfahren, gefolgt von Ghosting, also dem plötzlichen, unangekündigten Kontaktabbruch durch andere (46 %). Auch Lügen oder Gerüchte, die über die eigene Person verbreitet wurden (41 %), sowie Identitätsdiebstahl durch Fake-Profile (37 %), der ungewollte Erhalt unangenehmer Nachrichten (37 %) oder Einschüchterungsversuche (33 %) werden häufig genannt.
Doch nicht jede unangenehme Situation ist Cyber-Mobbing. Unter Cyber-Mobbing versteht man konkret das absichtliche und über einen längeren Zeitraum anhaltende Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen, Belästigen oder Ausgrenzen anderer über digitale Medien. Betroffene erleben meist eine Kombination verschiedener Erscheinungsformen. Wie die Studie zeigt, waren 17 % der Befragten schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing, 42 % haben dies bereits bei anderen mitbekommen. Jede/r Zehnte sagt sogar, selbst schon aktiv mitgemacht zu haben.
Von Spaß bis Ernst: Täter handeln aus unterschiedlichsten Motiven
Jugendliche gehen davon aus, dass die TäterInnen nicht zwangsläufig mit böser Absicht handeln: 44 % sind der Meinung, dass diese die Grenze zwischen Spaß und Ernst schlicht nicht kennen. Ein wichtiger Hinweis, wenn es um die Präventionsarbeit geht – hier ein Bewusstsein für unterschiedliche Wahrnehmungen zu schaffen, kann ein bedeutender Schritt im Kampf gegen Cyber-Mobbing sein.
Ebenfalls als sehr häufiges Motiv wird mit 43 % der Wunsch nach Machtausübung genannt. Je rund ein Drittel der Befragten nennt als weitere Gründe die Demonstration von Gruppenzugehörigkeit (36 %), rassistische Motive (33 %) sowie das Unvermögen, mit dem eigenen Zorn umzugehen (31 %) und Langeweile (31 %).
Cyber-Mobbing passiert vor allem öffentlich
Soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Spieleplattformen: Überall dort, wo sich junge Menschen online bewegen, kann es zu Cyber-Mobbing kommen. Am häufigsten nennen die Jugendlichen Plattformen, auf denen öffentlich kommuniziert wird: Instagram (56 %), gefolgt von TikTok (42 %), Facebook (36 %) und Snapchat (32 %).
Obwohl fast alle Befragten WhatsApp nutzen, liegen Messenger-Dienste mit 30 % nur an 5. Stelle der häufigsten Cyber-Mobbing-Plattformen. Online-Spiele werden von 25 % genannt, immerhin 11 % geben auch Videochat-Anwendungen für den Unterricht an.
Mehr Vorfälle in Zeiten der Pandemie
Die Pandemie mit ihren wiederholten Lockdowns hat zu einer Verlagerung des Sozial- und Schullebens in die Online-Welt geführt. Knapp die Hälfte der Befragten (48 %) stimmt der Aussage zu, dass Cyber-Mobbing in Zeiten von Distance Learning häufiger vorkommt (19 % keine Angabe). So haben Jugendliche im Home-Schooling bei sich und anderen bereits erlebt, dass die Teilnahme am Online-Unterricht absichtlich schwer gemacht wurde (30 %), dass sie oder jemand anders bewusst von schulischen Informationen ausgeschlossen (23 %) oder während des Online-Unterrichts verspottet wurden (22 %). Cyber-Mobbing findet also in solchen Fällen auch vor den Augen der Lehrenden statt.
Betroffene wissen, wer hinter Attacken steckt
In der öffentlichen Wahrnehmung agieren die TäterInnen von Cyber-Mobbing vorwiegend anonym. Die Befragung der Jugendlichen zeigt jedoch, dass die Betroffenen meist keineswegs im Dunkeln tappen, was die Identität des Angreifers betrifft. Die Mehrheit gibt an, dass Opfer von Cyber-Mobbing gewöhnlich ahnen, wer dafür verantwortlich sein könnte (43 %) oder es sogar genau wissen (30 %).
Dass Cyber-Mobbing vor allem im schulischen Umfeld passiert, zeigt sich auch hier: 43 % der Jugendlichen geben an, dass die TäterInnen dort zu finden sind, gefolgt von Internet-UserInnen (21 %) und Bekanntenkreis (8 %).
Hilfreiche Strategien fruchten in der Praxis nicht immer
Als wichtigste Strategie gegen Cyber-Mobbing erachten es die Jugendlichen, sich Hilfe zu holen. FreundInnen werden von 78 % als wichtigste Ansprechpersonen genannt, gefolgt von Eltern (71 %) und Lehrenden (64 %). Theorie und Praxis klaffen allerdings manchmal auseinander: Denn mit 48 % meint fast die Hälfte der Befragten, dass Erwachsene in Cyber-Mobbing-Situationen oft nicht hilfreich sind. Ebenso hat ein Drittel (33 %) der Jugendlichen schon erlebt, dass Lehrende einen Fall nicht ernst genommen haben.
Diese Diskrepanz zeigt sich auch bei der Nutzung technischer Möglichkeiten zur Abwehr von Mobbing-Attacken. So beurteilen es 70 % der Jugendlichen als hilfreich, TäterInnen auf den jeweiligen Plattformen zu blockieren oder zu sperren. Diese zu melden, erachtet mit 59 % ebenfalls eine Mehrheit als hilfreich. 45 % der Jugendlichen haben erlebt, dass ihre Meldungen an BetreiberInnen Sozialer Netzwerke nicht wie erwartet bearbeitet wurden.
Die direkte Auseinandersetzung mit den TäterInnen wird als weniger zielführend bewertet. Diese zu bitten, mit dem Mobbing aufzuhören, beurteilen nur 23 % als hilfreich. Lediglich 18 % halten es für förderlich, mit Beschimpfungen oder Beleidigungen zu kontern. Und einfach zu warten, bis das Mobbing wieder aufhört, stellt nur für 17 % eine Option dar.
Aufklärung nimmt zu – doch es bleibt viel zu tun
Bei 84 % erfolgte die Aufklärung durch Lehrende, bei knapp der Hälfte (45 %) durch Eltern, 38 % geben das Internet und über ein Drittel (35 %) Workshops als Informationsquelle an.
Entscheidende Rolle bei der Cyber-Mobbing Prävention spielen zum einen die Eltern. An ihnen liegt es, von klein auf zu vermitteln, wie man mit Konflikten offline und online umgehen und diese lösen kann.
Zum anderen zeigen die Zahlen der Studie: Wenn es um Cyber-Mobbing geht, ist das schulische Umfeld sowohl Ort des Geschehens als auch Ort der Hilfe und Prävention. Daher müssen dort gerade in den schwierigen Zeiten der Pandemie Angebote und Maßnahmen forciert werden: Notwendig sind zusätzliche Fortbildungen für Lehrende und DirektorInnen, ein Ausbau von Unterstützungsstrukturen wie Schulsozialarbeit oder Schulpsychologie und eine noch stärkere Thematisierung von Cyber-Mobbing im Unterricht. Präventions-Workshops, wie sie von Saferinternet.at angeboten werden, können eine Entlastung für die in Cyber-Mobbing-Situationen stark geforderten PädagogInnen sein. Darüber hinaus sind auch die Online-Plattformen gefordert, ihre Meldeprozesse weiter zu verbessern.
Wir unterstützen mit zahlreichen Angeboten
Das Thema Cyber-Mobbing ist nicht nur für Jugendliche, sondern auch für PädagogInnen und Eltern eine große Herausforderung. Deshalb unterstützt Saferinternet.at österreichweit mit Workshops und zahlreichen weiteren Informationsangeboten. Ab sofort kann das Unterrichtsmaterial Aktiv gegen Cyber-Mobbing (gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) kostenlos bestellt und heruntergeladen werden. Weitere Leitfäden und Flyer sowie der Eltern-Videoratgeber Frag Barbara! runden das Angebot ab. Auch das ISPA-Kinderbuch Der Online-Zoo und die gleichnamige Videoreihe behandeln unter anderem das Thema Cyber-Mobbing.
Safer Internet Day und -Aktionsmonat
Anlässlich des Safer Internet Day findet traditionell im gesamten Februar der Safer Internet-Aktionsmonat statt. Schulen und Jugendorganisationen sind aufgerufen, sich mit eigenen Aktionen zu beteiligen. Informationen zum Safer Internet Day 2022 auf internationaler Ebene gibt es hier.
Über die Studie
Die Studie zum Thema „Cyber-Mobbing“ wurde vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag von Saferinternet.at und ISPA - Internet Service Providers Austria durchgeführt. Bei der Online-Umfrage wurden 400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund befragt. Ergänzt wurde die Studie mit Praxiserfahrungen aus Saferinternet.at-Workshops.