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Cyber-Mobbing in Zeiten von Corona

Lehrende Eltern Jugendarbeit Cybermobbing

In der zweiten Veranstaltung unserer Gesprächsreihe „Online-Sexismus – was tun?“ ging es um die aktuellen Herausforderungen bei Cyber-Mobbing unter Kindern und Jugendlichen.

Gab es vermehrt Cyber-Mobbing-Fälle in der Corona-Zeit? Wie sollte das Umfeld von Betroffenen in diesen Situationen reagieren? Und, was kann die Schule im Vorfeld machen, damit es gar nicht erst soweit kommt?

Um diese Fragen drehte sich die zweite Veranstaltung der Online-Gesprächsreihe „Online-Sexismus - was tun?“, die wir mit dem Frauenservice der Stadt Wien organisieren. Barbara Buchegger von Saferinternet.at sprach mit Marlena Koppendorfer von 147 Rat auf Draht. Unter den TeilnehmerInnen waren auch einige SchulsozialarbeiterInnen, die von ihrer Praxis erzählten.

Was sich in Zeiten von Corona geändert hat

Die Onlinezeiten von Kindern und Jugendlichen waren in Zeiten von Corona erhöht. Die Notrufnummer 147 Rat auf Draht verzeichnete trotzdem keinen auffallenden Anstieg an Cyber-Mobbing-Beratungen. Es meldeten sich hingegen vermehrt Jugendliche, die besorgt um Freundinnen und Freunde waren, die sie nicht mehr erreichten. Zuvor bestehende Mobbing-Fälle, erzählt Marlena Koppendorfer, setzten sich jedenfalls online fort und darunter fielen auch besonders drastische Fälle, bei denen es um Erpressung, Cyber-Grooming oder Nacktfotos ging.

Auffällig mehr Jugendliche berichteten, über soziale Netzwerke wie Snapchat, Instagram oder TikTok kontaktiert worden zu sein. Nicht immer war den Betroffenen klar, ob es sich um Menschen aus ihrer Umgebung oder um Fremde handelt. Da jedoch in vielen Fällen einiges an Wissen, wie die Namen der FreundInnen oder Lehrenden vorhanden war, ist von Menschen aus der näheren Umgebung auszugehen.

Erschwerend konnte durch die Schließung der Schulen und die Reduzierung von sozialen Kontakten, der Freundeskreis nicht wie sonst unterstützend den Betroffenen zur Seite stehen. Es wurde für sie komplizierter, sich an erwachsene Bezugspersonen außerhalb ihrer Familie zu wenden. Sich an eine erwachsene Vertrauensperson wenden zu können, ist jedoch eine wichtige Unterstützung für den Krisenfall. Bricht das weg, sind die Jugendlichen oft alleine. In der Diskussion herrschte daher bei TeilnehmerInnen die Sorge, dass manche Cybermobbing-Fälle wohl erst zeitversetzt ans Licht treten werden.

Sind Mädchen anders betroffen?

Generell gilt es, mit genderspezifischen Zuschreibungen vorsichtig zu sein. Aber in der Beratung von 147 Rat auf Draht, erzählt Marlena Koppendorfer, lasse sich zum Beispiel beobachten, dass es Jungs teils schwer fällt die Grenze zwischen Spaß und Ernst für andere einzuschätzen. Sie würden zum Teil Beschimpfungen und Bedrohungen allzu leichtfertig als Spaß-Inhalte ansehen.

Auch am Umgang mit Konflikten lassen sich unterschiedliche Strategien ablesen, bei denen sich alte stereotype Geschlechtszuschreibungen wiederfinden. Jungs würden häufig von „warmen Konflikten“ berichten, mit Schreien, Schimpfen und Toben. Bei Mädchen gehe es häufiger um „kalte Konflikte“ mit Schweigen, Ausschluss und der Verbreitung von Gerüchten. Letztlich sei jedoch Vorsicht angebracht bei Typisierungen nach Geschlecht, betont Koppendorfer. Wie die Einzelperson mit Kränkungen, Streit, mangelndem Selbstwertgefühl oder dem Wunsch sich mächtig zu fühlen, umgeht, umfasse meist ein Mix an Strategien.

Was Eltern tun können

Wenn Eltern ihr eigenes Kind schützen wollen, vertreten sie dessen vermeintliche Interessen mitunter vehement. Doch sich in einer möglichen Mobbing-Situation direkt an die Eltern anderer Kinder zu wenden, birgt viel Konfliktpotential. Eine vermittelnde Stelle, wie die Schule, kann zu einer Lösung beitragen, und auch in scheinbar ausweglosen Situationen ein „Machtwort“ sprechen. 

Es ist jedenfalls wichtig, dass Eltern ihr Kind ernst nehmen. Im Vorfeld können sie bei Konflikten im Schulumfeld ihr Kind auch unterstützen und stärken, indem sie ihm ermöglichen an anderen Orten geschätzt und gemocht zu werden. Auf diese Weise können unangenehme Situationen in der Schule auch leichter ertragen werden.

Was die Schule tun kann

Wie kann die Schule gegen Cyber-Mobbing vorbeugen? Ein wichtiger Faktor ist das Schulklima an sich. Gibt es unter Lehrenden viele Konflikte hin zu Mobbing, springt dies auch auf Klassen über. Gute Lehrenden-Teams vermitteln einen positiven Umgang mit Herausforderungen und Konflikten.

Es ist auch hilfreich, wenn Lehrende sich regelmäßig mit dem Thema Cyber-Mobbing beschäftigen. Sie wissen dadurch im Anlassfall rascher, wie sie reagieren können und was sie vermeiden sollten. Im Krisenmodus braucht es aber Klarheit darüber, welche Schritte gesetzt werden müssen: Was sage ich wem? Wie sage ich es? Wer kann helfen? All das lässt sich im Zuge der Prävention gut vorbereiten.

Welche Rolle das Publikum hat

Von vielen Cyber-Mobbing Fällen erfahren die Eltern und Lehrenden erst sehr spät etwas. Es braucht SchülerInnen, die den Mut haben, sich an Erwachsene zu wenden und dies nicht als „verpetzen“ werten. Gerade die ZuseherInnen haben bei Cyber-Mobbing eine entscheidende Rolle: Nur durch sie, das Publikum, wird Cyber-Mobbing erst „wirkungsvoll“.

Es ist daher wichtig, SchülerInnen zu ermutigen, früh einzugreifen und sich als ZuseherInnen zu fragen: Was denken all jene, die nichts sagen? Warum sagen sie nichts? Andere ZuseherInnen konkret auf ihr passives Verhalten ansprechen, kann vieles positiv verändern. Jugendliche müssen wissen: Gewalt auch ist auch online ein No-Go und alle müssen zu einem gewaltfreien Miteinander beitragen.

Weitere Termine der Gesprächsreihe

  • Dienstag, 30. Juni 2020, 18-19 Uhr: Online-Sexismus aus Sicht einer Gamerin – mit Sarah Kerschhaggl (New Media Expert)
  • Dienstag, 07. Juli 2020, 18-19 Uhr: Was steckt hinter Online-Sexismus? – mit Männerforscher Erich Lehner