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Pro-Ana und Pro-Mia: Magertrend im Internet

Eltern Jugendarbeit Sexualität & Internet

Magerfotos auf Instagram, Abnehm-Gruppen in WhatsApp, Kontaktbörsen auf Pro-Ana-Blogs: Wie Jugendliche mit Essstörungen Online-Plattformen und Soziale Netzwerke nutzen.

Sie bezeichnen sich selbst als „Pro-Ana“ oder „Pro-Mia“ und suchen im Internet nach Gleichgesinnten: Jugendliche, zumeist junge Mädchen, die an Essstörungen leiden und ihre Krankheit als Lifestyle interpretieren. Längst finden Betroffene auf einschlägigen Online-Plattformen nicht mehr nur Diät- oder Motivationstipps, sondern organisieren sich immer häufiger auch über geschlossene Gruppen in WhatsApp oder Kik. Magerfotos in Sozialen Netzwerken dienen dabei als „Thinspiration“ – Inspiration zum Dünnsein und Hungern.

    Pro-Ana und Pro-Mia: Ersatzgemeinschaft im Internet

    Der Begriff „Ana“ ist eine Abkürzung für Anorexia Nervosa (Magersucht), „Mia“ steht für Bulimia Nervosa (Ess-Brech-Sucht). Beide Krankheitsbilder fallen in den Bereich der Essstörungen. Auf einschlägigen „Pro-Ana“- bzw. „Pro-Mia“-Plattformen im Internet müssen sich betroffene Jugendliche nicht verstecken, sondern finden Anschluss zu Gleichgesinnten. So entsteht eine Ersatzgemeinschaft, in der krankhaftes Essverhalten als Lebensstil akzeptiert und unterstützt wird. Gleichzeitig versuchen die Betroffenen, die Krankheit vor ihren Eltern, Lehrenden oder Freund/innen zu verheimlichen.
    Obwohl immer häufiger auch Männer von Essstörungen betroffen sind, wird „Pro-Ana“ in erster Linie von Mädchen und jungen Frauen getragen. Wie viele Personen sich tatsächlich der Pro-Ana-Szene zugehörig fühlen, kann aufgrund der hohen Anonymität innerhalb der Foren und Gruppen nicht eindeutig mit Zahlen belegt werden. Nicht immer ist klar, ob Jugendliche erst durch Pro-Ana-Bilder in die Magersucht rutschen, oder ob bereits erkrankte User/innen gezielt nach Inspiration zum Durchhalten suchen.

      Blogs als Kontaktbörsen, Gruppen als Kontrollinstanz

      „Pro-Ana“ ist im Internet kein neues Phänomen. Schon in den 90er Jahren entstanden zahlreiche Foren und Websites, über die Magersüchtige Diättipps austauschten und sich gegenseitig zum Abnehmen motivierten. Mit zunehmender Popularität von Sozialen Netzwerken wie Facebook, WhatsApp oder Kik hat sich aber ein Großteil der Pro-Ana-Kommunikation in geschlossene Gruppen verlagert.

      In den meisten Fällen kommen Jugendliche erstmals über eine einfache Internetsuche mit einschlägigen Angeboten in Berührung. Über diese Plattformen werden dann Kontakte zu Gleichgesinnten geknüpft. Oft etablieren sich in den Gästebüchern sogenannte „Twin-Börsen“, in denen Betroffene mithilfe von Kontaktanzeigen gezielt nach „Pro-Ana-Twins“ – Personen mit ähnlichen Körpermaßen und Abnehmzielen – suchen. Nach dem Erstkontakt wird die Kommunikation mit den „Twins“ privat fortgesetzt – meist in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe.

      In diesen Gruppen finden die betroffenen Jugendlichen Zuspruch und Unterstützung, bleiben gleichzeitig aber relativ anonym. Die Gruppenmitglieder spornen sich gegenseitig zum Abnehmen an und tauschen regelmäßig Informationen zu Körpergewicht und gegessenen Kalorien aus. Auch Fotos des eigenen Körpers müssen regelmäßig gepostet werden. Wer die selbst auferlegten, strengen Diät- und Sportregeln missachtet, fliegt aus der Gemeinschaft. In den Gruppen wird oft rund um die Uhr geschrieben, sodass ein Abschalten kaum möglich ist und die Gedanken immer wieder beim Thema Abnehmen landen.

        „Thinspiration“ – die Motivation zum Hungern

        Inspiration und Motivation zum Abnehmen finden betroffene Jugendliche vor allem auf Blogs oder Plattformen wie Tumblr oder Instagram. Unter der Bezeichnung „Thinspiration“ (kurz: „Thinspo“) werden Fotos von extrem dünnen Mädchen oder Models gepostet, die zum Gewichtsverlust anregen sollen. Allein auf Instagram finden sich unter dem Hashtag #ana mehr als 8 Millionen Beiträge, unter #anorexia sind es knapp 5,5 Millionen. Manche Betroffene erzählen von einer regelrechten „Sucht“ nach Pro-Ana-Bildern, die sie immer wieder ansehen, sammeln oder sogar in Alben kleben. Screenshots von „Thinspiration“-Bildern finden Sie in dieser Beispielsammlung zu Pro-Ana und Pro-Mia im Internet (pdf).

        Mittlerweile haben Instagram und Tumblr reagiert: Wer nach einschlägigen Hashtags sucht, bekommt neben einer Warnung vor verstörenden Inhalten auch Beratungsangebote für Menschen mit Essstörungen angezeigt. Allerdings lassen sich diese Maßnahmen leicht umgehen, indem die Hashtags leicht abgewandelt werden (z. B. #proanna statt #proana).
        Die Video-Plattform YouTube spielt in der Pro-Ana-Szene ebenfalls eine wichtige Rolle: In „Thinspiration“-Clips werden Essstörungen verherrlicht, in „Ratgeber“-Videos geben Betroffene zudem Tipps zum Umgang mit dem ständigen Hungergefühl. Daneben finden sich auf YouTube auch sogenannte „Recovery-Stories“ – ehemalige Magersüchtige berichten von ihrem Weg zurück zu einem gesunden Essverhalten.

          Gefährliche Schönheitsideale

          In der Pro Ana-Szene haben sich gefährliche Schönheitsideale etabliert, die im Internet vor allem über Bilder transportiert werden. Ein Beispiel ist die „Thigh Gap“: Dabei dürfen sich die Oberschenkel bei geschlossenen Beinen nicht berühren – Fotos von der so entstandenen Lücke machen im Netz millionenfach die Runde. Ein ähnlicher Kult rankt sich um die sogenannte „Bikini Bridge“ – also den Abstand zwischen Bikinihöschen und Bauch, der bei extrem dünnen Menschen zu sehen ist, wenn sie auf dem Rücken liegen.
          Zusätzlich verstärkt wird der Magertrend im Internet von sogenannten „Challenges“– regelgeleiteten Herausforderungen, denen sich Jugendliche stellen indem sie die „Beweisfotos“ stolz in Sozialen Netzwerken teilen. Zwei Beispiele: Bei der „Belly Button Challenge“ wird versucht, mit einem Arm den Rücken zu umschlingen und vorne mit den Fingern den Bauchnabel zu berühren. Bei der „Collarbone Challenge“ geht es hingegen darum, möglichst viele Münzen auf den hervorstehenden Schlüsselbeinen zu stapeln.

            Pädophile nutzen Pro-Ana-Plattformen aus

            Immer wieder wird im Zusammenhang mit Pro-Ana von selbsternannten „Coaches“ berichtet, die auf den einschlägigen Szene-Blogs ihre Unterstützung beim Abnehmen anbieten. Dabei liegt der Verdacht nahe, dass diese in der Regel männlichen Trainer die Situation der essgestörten jungen Mädchen gezielt ausnutzen, um an kinderpornografisches Material zu gelangen.

            Auch die „Pro-Ana-Coaches“ stellen strenge Diätregeln auf und überwachen deren Einhaltung über WhatsApp. Von ihren „Schülerinnen“ verlangen die Coaches nicht nur absoluten Gehorsam, sondern auch regelmäßig Nacktfotos oder Aufnahmen in aufreizenden Posen.

            Meist sind es die Pro-Ana-Anhänger/innen selbst, die in Kontaktanzeigen nach einem privaten Pro-Ana-Trainer suchen. Viele sind sich dabei auch der Gefahr durch Pädophile bewusst: Immer wieder wird in den Twin-Börsen davor gewarnt, Nacktfotos an vermeintliche Coaches zu verschicken.
            Es bleibt die Frage: Sollten einschlägige Pro Ana-Seiten verboten werden? Manche Expert/innen bezeichnen dies als kontraproduktiv – sie könnten die Betroffenen noch stärker als bisher von der öffentlichen Bildfläche in private Austauschgruppen treiben.

            Hier finden Betroffene Hilfe und Beratung

            • Wiener Initiative gegen Essstörungen: Beschreibung des Krankheitsbildes, Risiko- und Schutzfaktoren, Präventionsangebote, kostenlose und anonyme Beratung unter 0800 20 11 20 (Essstörungs-Hotline)
              Essstörungs- Hotline: 0800 20 11 20
            • 147 Rat auf Draht: Notruf für Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen – rund um die Uhr, anonym, kostenlos. Per Telefon (147 ohne Vorwahl), Online-Beratung oder Chat (jeden Freitag, 18-20 Uhr)
            • Zentrum für Essstörungen: Beratung und Information für Frauen mit Ess- und Gewichtsproblemen sowie deren Angehörige
            • Ess-Stoerungen.at: Informationen zu Formen von Essstörungen, Sammlung von Links und Informationsmaterialien
            • Netzwerk-Essstoerungen.at: Erstinformation und Beratung für Betroffene und Angehörige in Innsbruck
            • Sowhat.at: Medizinische und therapeutische Hilfe für Menschen mit Essstörungen
            • Intakt.at: Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen mit Online-Beratung (jeden Montag von 17:00 bis 19:00 Uhr)

            Weiterführende Links